Berlin - Es war ein turbulentes Jahr. Für die Krisen-Kanzlerin, für Europa. Nun scheint sich die Schuldenkrise rund um die Feiertage beruhigt zu haben. Die Börsen sind zu, die meisten Unternehmen pausieren. Finanzminister Wolfgang Schäuble versprüht sogar regelrecht Optimismus - die Finanzmärkte würden sich im kommenden Jahr beruhigen, prognostiziert der CDU-Politiker in der "Bild am Sonntag". Es werde zwar noch "Überraschungen und Aufgeregtheiten geben, aber wir sind in der Lage, das zu managen".
Doch ist das wirklich so? Nicht überall wird der Optimismus geteilt. Vor allem ein Land steht im Fokus: Italien. Nach Einschätzung von Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer wird dort im kommenden Jahr über die Zukunft des Euro entschieden. Zu Beginn 2012 werde Italien in eine tiefe Rezession stürzen. "Wenn es dem Land gelingt, da vor den Wahlen im Mai 2013 wieder herauszukommen - was ich erwarte -, dann kann Italien ein Vorbild für alle südeuropäischen Staaten werden. Ansonsten wird die Euro-Zone auseinanderbrechen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Für Griechenlang sieht es ganz düster aus. Ein Ausscheiden des Landes aus der Währungsgemeinschaft sei nicht mehr tabu, glaubt Mayer. Es bestehe das Risiko, dass dort nach den 2012 geplanten Neuwahlen eine Regierung komme, die entweder nicht willens oder nicht fähig sei, den Sparkurs weiterzutragen, analysiert der Chefvolkswirt.
In dieser Situation bereiten sich die Geldhäuser nun offenbar auf den schlimmsten Fall vor. Offen mag darüber kein Bankmanager sprechen, doch hinter vorgehaltener Hand stellen sich viele die Frage: Was passiert, wenn die Währungsunion tatsächlich auseinanderbricht? Wenn einzelne Länder aus der Euro-Zone ausscheiden und ihre alten nationalen Währungen wieder einführen?
Zwei Banken fühlen schon mal vor
Laut "Wall Street Journal" beschäftigt diese Sorge nun immer öfter die internationalen Finanzinstitute. Die US-Zeitung schreibt, in den vergangenen zwölf Monaten hätten mindestens zwei global agierende Finanzinstitute Schritte unternommen, um Computertechnologie zu installieren, mit denen sie wieder in alten Währungen der Euro-Zone arbeiten könnten - etwa in griechischen Drachmen, portugiesischen Escudos und italienischen Lire.
Es sind genau jene Länder, die zuletzt im Fokus der Euro-Krise standen - Griechenland, Portugal und Italien. Dabei mussten die Banken nach dem Bericht der Wirtschaftszeitung allerdings feststellen, dass eine technische Neuausrüstung gar nicht so einfach ist. Die Banken hatten sich fragend an die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, kurz Swift, gewandt - ein in Belgien seit den siebziger Jahren ansässiges Unternehmen, das den weltweiten Nachrichtenverkehr und die Transaktionen zwischen Finanzhäusern und Börsen täglich abwickelt.
Die Banken wollten von Swift technische Unterstützung und die entsprechenden Geldcodes, die notwendig sind, um ein Backup-System aufzubauen. Doch das Unternehmen weigerte sich. Der Grund, so zitiert das Blatt anonyme Quellen, sei die Furcht gewesen, durch die Mithilfe beim Installieren von solchen Notfallsystemen zusätzliche Zweifel an der Stabilität des Euro zu schüren.
Auch das Finanzministerium spielt Szenarien durch
Dass sich Banken, aber auch Ministerien auf das Schlimmste vorbereiten, ist allerdings nichts Ungewöhnliches. Auch im Bundesfinanzministerium Schäubles wurden in diesem Jahr, wie der SPIEGEL berichtete, sämtliche Szenarien durchgespielt, die sich im Falle eines Zahlungsausfalls von Griechenland ergeben könnten. Danach gab es grundsätzlich zwei Varianten einer Griechenland-Pleite - in der ersten bleibt das Land in der Währungsunion, in der anderen gab es den Euro als Zahlungsmittel auf und führte die Drachme wieder ein.
Die Sorge, dass der Euro trotz der letzten Rettungsmaßnahmen scheitern könnte, ist vor allem in den angelsächsischen Ländern stark. Laut "Wall Street Journal" hat die oberste britische Bankenaufsicht Briefe an die größeren Finanzinstitute auf der Insel verschickt und nach dem neuesten Stand ihrer Vorbereitungen für den Notfall nachgefragt. Einen ähnlichen Dialog habe es zwischen Banken und der Aufsicht in den USA in den vergangenen Wochen gegeben, zitiert das Blatt nicht näher bezeichnete Personen, die mit der Materie vertraut seien.
Im kommenden Jahr feiert der Euro sein zehnjähriges Jubiläum. Anlass für wirkliche Jubelveranstaltungen gibt es nicht. Die Sorge, dass die Krisenländer unter den 17 Euro-Staaten weiter die Währung belasten, hat auch große Firmen längst erfasst. Das "Wall Street Journal" berichtet über nicht näher benannte Konzerne, die in Griechenland und anderswo in Südeuropa tätig seien und nun begonnen hätten, ihr Bargeld aus Griechenland herauszuholen - nicht im üblichen Zwei-Wochen-Rhythmus, sondern täglich. Das, so wird ein anonymer Banker zitiert, sei eine Vorsichtsmaßnahme gegen einen plötzlichen Werteverlust. Nämlich für den Fall, dass doch die alten Währungen wiederbelebt werden sollten.
Kritik vom IWF
Mahnende Worte kamen einmal mehr vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Deren Chefin Christine Lagarde sieht die Weltwirtschaft in Gefahr und ruft die europäischen Staaten zur Geschlossenheit in der Schuldenkrise auf. "Die globale Wirtschaft ist in einer gefährlichen Lage", so Lagarde in der französischen Sonntagszeitung "Journal du Dimanche".
Die EU-Staats- und Regierungschefs seien auf ihrem Euro-Krisengipfel am 9. Dezember bei Finanzfragen nicht genug ins Detail gegangen, kritisierte Lagarde. Das Ergebnis sei in den Grundprinzipien zu kompliziert. "Es wäre hilfreich, wenn die Europäer mit einer Stimme sprächen und einen einfachen und detaillierten Zeitplan in Aussicht stellten", sagte Lagarde. "Die Investoren warten darauf. Große Prinzipien beeindrucken nicht."
Der EU-Gipfel hatte schärfere Haushaltsregeln beschlossen und den Umbau der Euro-Zone zu einer Fiskalunion vorangetrieben. Dem Reformvertrag der 17 Euro-Staaten wollen sich neun weitere EU-Mitglieder anschließen. Großbritannien dagegen hatte seine Zustimmung zu einem europäischen Fiskalpakt verweigert.
No comments:
Post a Comment